Im Unterschied zu Systemen, in denen Wertgegenstände
als Tauschmittel verwendet werden, entsteht in modernen Volkswirtschaften das Tauschmittel (Geld) durch Kreditvergabe gegen Zinsen. Das hat den Vorteil, dass die
Geldmenge nicht begrenzt ist und dass durch die Steuerung der Zinsen die Wirtschaft
beeinflusst werden kann.
Generell ist dafür die Zentralbank eines Landes zuständig.
Die Zentralbank hat das Monopol, Bargeld zu drucken.
Andere Geldformen wie Bankguthaben sind nur Forderungen auf Bargeld und damit
dem Bargeld untergeordnet. Die Zentralbank ist damit der sicherste Schuldner
(Sie ist die einzige Organisation, die Bargeld drucken darf und somit nie insolvent
werden kann) und wird im Zweifel immer anderen Schuldnern vorgezogen.
Gleichzeitig ist die Zentralbank der mächtigste Gläubiger (Sie darf Bargeld
drucken, kann also unbegrenzt Kredite vergeben). Die Zentralbank dominiert also
die Kreditnachfrage sowie das Kreditangebot.
Diese uneingeschränkte Marktmacht auf dem
Kreditmarkt kann die Zentralbank nutzen, um den Preis für Kredite* – den Zinssatz – zu steuern.
Damit kann sie beeinflussen, wie viele Personen bzw. Firmen einen Kredit
aufnehmen, wie viele Güter nachgefragt werden und wie viel Geld (durch
Kreditvergabe) entsteht.
Ziel einer Zentralbank ist typischerweise, dass der
Anstieg der durchschnittlichen Preise – die Inflation – einen bestimmten Wert
erreicht. Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist beispielsweise eine
Inflationsrate von „unter aber nahe 2 %“ im Euroraum.
Das wirft die Frage auf: Wie wirkt sich eine
Zinsänderung auf die Inflation aus?
Man nehme an, die Zentralbank erhöht den Leitzins. (Das
ist der Zinssatz, zu dem sie Kredite an Banken vergibt bzw. der Zinssatz, den
sie Banken bezahlt, wenn diese der Zentralbank Geld leihen.)
Aufgrund der Marktmacht der Zentralbank erhöht sich
dadurch auch das allgemeine Zinsniveau.
Banken vergeben Kredite dann nur noch zu höheren
Zinsen. Das bedeutet wiederum, dass weniger Firmen bzw. Haushalte bereit sind,
einen Kredit aufzunehmen. Es wird dann weniger Geld durch Kreditvergabe
geschaffen – die Geldmenge sinkt (bzw. steigt langsamer). Außerdem sinkt die
Güternachfrage, da die potentiellen Kreditnehmer von dem Geld, das sie sich
geliehen hätten (wäre der Zinssatz nicht angestiegen) Güter gekauft hätten.
Eine niedrigere Güternachfrage bedeutet wiederum niedrigere (bzw. langsamer
steigende) Güterpreise; oder anderes formuliert: niedrigere Inflation.
Ein höherer Leitzins führt also zu niedrigerer
Inflation. Analog bewirkt ein niedrigerer Leitzins eine höhere Inflation.
Die Tätigkeit einer Zentralbank ist grob
vereinfacht folgende: Befürchtet die Zentralbank, dass die Inflation über den
Zielwert ansteigt, erhöht sie den Leitzins, um eine übermäßig hohe Inflation zu
verhindern. Wird hingegen befürchtet, dass die Inflation hinter dem Zielwert
zurückbleibt, senkt sie die Zinsen. Die Steuerung der Zinsen, um damit das
wirtschaftliche Geschehen zu beeinflussen nennt sich Geldpolitik.
Geldpolitik ist in normalen Zeiten das wichtigste
Instrument zur Steuerung einer Marktwirtschaft. Es gibt jedoch einen
Sonderfall, in dem Geldpolitik allein nicht ausreicht um die Wirtschaft zu
stabilisieren. Das ist der Fall, wenn der Leitzins auf Null gesenkt wurde, die
Inflation jedoch trotzdem hinter dem Zielwert zurückbleibt. Eine Zentralbank
kann den Leitzins nämlich nicht unter Null senken.
Die Wirtschaftsleistung ist dann unverhältnismäßig
niedrig, weil nicht genug Güter gekauft werden. Wenn Firmen ihre Güter nicht
absetzen können, entlassen sie ihre Mitarbeiter. Die entlassenen Mitarbeiter verlieren
Einkommen und kaufen dann noch weniger. Es entsteht eine deflationäre
Abwärtsspirale; Sie ist deshalb deflationär, weil die Unternehmen beim
verzweifelten Versuch ihre Produkte zu verkaufen ihre Preise senken.
In diesem Fall muss der Staat mit anderen Mitteln
als mit Geldpolitik die Wirtschaft anregen. Eine Möglichkeit ist, die fehlende
private Nachfrage durch staatliche Nachfrage zu ersetzen. Der Staat kann
dafür Kredite aufnehmen. Mit dem geliehenen Geld kauft der Staat dann Güter,
zum Beispiel für den Bau von Schulen oder für die Reparatur von Straßen.
Dadurch steigt einerseits die Geldmenge (es wird bei der Kreditvergabe Geld
geschaffen) andererseits steigt die Güternachfrage, da der Staat Güter kauft.
Das führt zu höheren Güterpreisen bzw. höherer Inflation. Diese Politik ist
also geeignet, die Inflation zurück auf den Zielwert zu bringen und die
deflationäre Abwärtsspirale zu durchbrechen.
Jemand, der einzelwirtschaftlich denkt könnte
einwenden:
„Mehr Staatsschulden, also
mehr Schulden, sind immer schlecht“
Wie in Teil I erklärt wurde, sind die Schulden des
einen die Guthaben des anderen. Für jeden zusätzlichen Euro Staatsschulden entsteht
eine Forderung von jemandem gegen den Staat in gleicher Höhe (in Form einer
Staatsanleihe). Alle Menschen insgesamt sind also netto nicht mehr oder weniger
verschuldet als ohne neue Staatsschulden. Bei wem auch?
Manchmal hört man auch:
„Die nächste Generation muss
unsere Staatsschulden bezahlen“
Wieder wird nach einzelwirtschaftlicher Logik nur
eine Seite der Medaille beleuchtet. Übersehen wird Folgendes: Es werden auch
Staatsguthaben (Staatsanleihen) in
gleicher Höhe an die nächste Generation vererbt! Netto werden also weder
Schulden noch Forderungen an die nächste Generation vererbt. Eine
Volkswirtschaft kann nur materielle Dinge vererben. Und da höhere
Staatsdefizite in bestimmten Situationen wie beschrieben sowohl einen Einbruch
der privaten Wirtschaft verhindern als auch Straßen, Schulen etc. finanzieren
und damit den materiellen Wohlstand tendenziell erhöhen, wird bei höheren
Staatsschulden oft mehr an die nächste Generation vererbt.
Ein Problem gibt es natürlich dann, wenn ein sehr
kleiner Teil der nächsten Generation einen sehr großen Teil an Staatsanleihen
erbt – also an Forderungen gegen den Rest dieser Generation. Der Großteil der
nächsten Generation erbt dann tatsächlich Schulden – an die kleine Oberschicht.
Dieses Problem ist allerdings kein Problem der Staatsschulden, sondern der
Ungleichheit. Das Problem bestünde nämlich auch, wenn eine kleine Oberschicht
eine große Menge an privaten Forderungen gegen die Mittel- und Unterschicht
erbt – ganz ohne die Existenz von Staatsschulden.
Einem ähnlichen Fehlschluss liegt folgende Aussage
zu Grunde:
„Der Staat, also wir als
Bürger, müssen die Zinsen für die Staatsschulden bezahlen“
Frage: An wen zahlt der Staat die Zinsen? Antwort:
An seine Bürger, also an uns selbst!
Eine wichtigere Frage wäre wiederum, wie die Vermögen
und damit die Zinseinkommen verteilt sind. Sind die Vermögen extrem ungleich
verteilt, dann erhält ein sehr kleiner Anteil der Bevölkerung den Löwenanteil
an den Zinserträgen. Der Großteil muss die Zinsen zahlen.
Dann muss man jedoch auch das wieder als das
Problem nennen: Die Ungleichheit der Vermögen – nicht die Staatsverschuldung, die
Zinszahlungen, das Geldsystem, oder sonst irgendwas.
Zur Bekämpfung von Ungleichheit ist ein
ausgeglichener Staatshaushalt oder sogar der Abbau von Staatsschulden übrigens nicht
unbedingt geeignet. Im Gegenteil: Zum Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts
werden oft staatliche Leistungen für die unteren und mittleren
Einkommensschichten gestrichen – die Ungleichheit wird also tendenziell erhöht.
Eine bessere Möglichkeit zur Reduktion von
Ungleichheit ist eine Erhöhung der staatlichen Leistungen für die Unter- und Mittelschicht
und Steuererhöhungen für die Oberschicht.
Fazit
Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen
wäre für die Politik extrem wichtig.
Solche Einsichten sind zum Beispiel: Die Einnahmen
des einen sind die Ausgaben des anderen. Das Geld (bzw. die Guthaben) von
jemandem sind die Schulden von jemand anderem. Der Exportüberschuss eines
Landes bedingt ein Exportdefizit eines anderen Landes. Hohe
Wettbewerbsfähigkeit eines Marktteilnehmers bedeutet niedrige
Wettbewerbsfähigkeit eines anderen. Usw.
Viele Menschen verstehen diese Zusammenhänge nicht
– auch da sie aus einer einzelwirtschaftlichen Sicht, die ihnen viel vertrauter
ist, nicht gelten. Die Einnahmen einer Person sind z.B. nicht zwingend identisch
mit den Ausgaben dieser Person. Analog ist das Guthaben einer Person sind nicht
unbedingt gleich hoch wie die Schulden dieser Person.
Leider versteht selbst die Bundesregierung solche
Zusammenhänge nicht. Kanzlerin Merkel ist überzeugt, dass alle Länder gemeinsam
ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Finanzminister Schäuble denkt, dass
alle Länder einen Exportüberschuss erzielen können. Außerdem hält die Bundesregierung
Staatsschulden per se für etwas schlechtes.
Eine aus diesen Fehlschlüssen abgeleitete Politik
kann nicht zum Erfolg führen. Die von der Bundesregierung europaweit durchgesetzte Sparpolitik, zum Beispiel, die darauf abzielt, dass alle Länder
wettbewerbsfähiger werden und alle ihren Exportüberschuss erhöhen (bzw. ihr
Exportdefizit abbauen) muss zwangsläufig scheitern – da sie auf einem logischen
Fehlschluss beruht.
Wenn die Leute anfangen, die Zusammenhänge zu verstehen,
dann könnte die Politik der Bundesregierung abgewählt und ein neuer Weg eingeschlagen
werden. Wenn nicht, dann setzen wir den wirtschaftlichen Niedergang in Europa
weiter fort.
* Der Zinssatz wird in der Literatur oft
irreführend als Preis für Geld bezeichnet. Der Preis für Geld ist jedoch
irrelevant und gleich 1. Wer würde einen Euro für mehr als einen Euro kaufen
bzw. wer würde einen Euro für weniger als einen Euro verkaufen?