Mittwoch, 3. Februar 2016

Geld und Schulden: Teil II

Im Unterschied zu Systemen, in denen Wertgegenstände als Tauschmittel verwendet werden, entsteht in modernen Volkswirtschaften das Tauschmittel (Geld) durch Kreditvergabe gegen Zinsen. Das hat den Vorteil, dass die Geldmenge nicht begrenzt ist und dass durch die Steuerung der Zinsen die Wirtschaft beeinflusst werden kann.

Generell ist dafür die Zentralbank eines Landes zuständig.

Die Zentralbank hat das Monopol, Bargeld zu drucken. Andere Geldformen wie Bankguthaben sind nur Forderungen auf Bargeld und damit dem Bargeld untergeordnet. Die Zentralbank ist damit der sicherste Schuldner (Sie ist die einzige Organisation, die Bargeld drucken darf und somit nie insolvent werden kann) und wird im Zweifel immer anderen Schuldnern vorgezogen. Gleichzeitig ist die Zentralbank der mächtigste Gläubiger (Sie darf Bargeld drucken, kann also unbegrenzt Kredite vergeben). Die Zentralbank dominiert also die Kreditnachfrage sowie das Kreditangebot.

Diese uneingeschränkte Marktmacht auf dem Kreditmarkt kann die Zentralbank nutzen, um den Preis für Kredite* – den Zinssatz – zu steuern. Damit kann sie beeinflussen, wie viele Personen bzw. Firmen einen Kredit aufnehmen, wie viele Güter nachgefragt werden und wie viel Geld (durch Kreditvergabe) entsteht.

Ziel einer Zentralbank ist typischerweise, dass der Anstieg der durchschnittlichen Preise – die Inflation – einen bestimmten Wert erreicht. Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist beispielsweise eine Inflationsrate von „unter aber nahe 2 %“ im Euroraum.

Das wirft die Frage auf: Wie wirkt sich eine Zinsänderung auf die Inflation aus?

Man nehme an, die Zentralbank erhöht den Leitzins. (Das ist der Zinssatz, zu dem sie Kredite an Banken vergibt bzw. der Zinssatz, den sie Banken bezahlt, wenn diese der Zentralbank Geld leihen.)

Aufgrund der Marktmacht der Zentralbank erhöht sich dadurch auch das allgemeine Zinsniveau.

Banken vergeben Kredite dann nur noch zu höheren Zinsen. Das bedeutet wiederum, dass weniger Firmen bzw. Haushalte bereit sind, einen Kredit aufzunehmen. Es wird dann weniger Geld durch Kreditvergabe geschaffen – die Geldmenge sinkt (bzw. steigt langsamer). Außerdem sinkt die Güternachfrage, da die potentiellen Kreditnehmer von dem Geld, das sie sich geliehen hätten (wäre der Zinssatz nicht angestiegen) Güter gekauft hätten. Eine niedrigere Güternachfrage bedeutet wiederum niedrigere (bzw. langsamer steigende) Güterpreise; oder anderes formuliert: niedrigere Inflation.

Ein höherer Leitzins führt also zu niedrigerer Inflation. Analog bewirkt ein niedrigerer Leitzins eine höhere Inflation.

Die Tätigkeit einer Zentralbank ist grob vereinfacht folgende: Befürchtet die Zentralbank, dass die Inflation über den Zielwert ansteigt, erhöht sie den Leitzins, um eine übermäßig hohe Inflation zu verhindern. Wird hingegen befürchtet, dass die Inflation hinter dem Zielwert zurückbleibt, senkt sie die Zinsen. Die Steuerung der Zinsen, um damit das wirtschaftliche Geschehen zu beeinflussen nennt sich Geldpolitik.

Geldpolitik ist in normalen Zeiten das wichtigste Instrument zur Steuerung einer Marktwirtschaft. Es gibt jedoch einen Sonderfall, in dem Geldpolitik allein nicht ausreicht um die Wirtschaft zu stabilisieren. Das ist der Fall, wenn der Leitzins auf Null gesenkt wurde, die Inflation jedoch trotzdem hinter dem Zielwert zurückbleibt. Eine Zentralbank kann den Leitzins nämlich nicht unter Null senken.

Die Wirtschaftsleistung ist dann unverhältnismäßig niedrig, weil nicht genug Güter gekauft werden. Wenn Firmen ihre Güter nicht absetzen können, entlassen sie ihre Mitarbeiter. Die entlassenen Mitarbeiter verlieren Einkommen und kaufen dann noch weniger. Es entsteht eine deflationäre Abwärtsspirale; Sie ist deshalb deflationär, weil die Unternehmen beim verzweifelten Versuch ihre Produkte zu verkaufen ihre Preise senken.

In diesem Fall muss der Staat mit anderen Mitteln als mit Geldpolitik die Wirtschaft anregen. Eine Möglichkeit ist, die fehlende private Nachfrage durch staatliche Nachfrage zu ersetzen. Der Staat kann dafür Kredite aufnehmen. Mit dem geliehenen Geld kauft der Staat dann Güter, zum Beispiel für den Bau von Schulen oder für die Reparatur von Straßen.

Dadurch steigt einerseits die Geldmenge (es wird bei der Kreditvergabe Geld geschaffen) andererseits steigt die Güternachfrage, da der Staat Güter kauft. Das führt zu höheren Güterpreisen bzw. höherer Inflation. Diese Politik ist also geeignet, die Inflation zurück auf den Zielwert zu bringen und die deflationäre Abwärtsspirale zu durchbrechen.

Jemand, der einzelwirtschaftlich denkt könnte einwenden:

„Mehr Staatsschulden, also mehr Schulden, sind immer schlecht“

Wie in Teil I erklärt wurde, sind die Schulden des einen die Guthaben des anderen. Für jeden zusätzlichen Euro Staatsschulden entsteht eine Forderung von jemandem gegen den Staat in gleicher Höhe (in Form einer Staatsanleihe). Alle Menschen insgesamt sind also netto nicht mehr oder weniger verschuldet als ohne neue Staatsschulden. Bei wem auch?

Manchmal hört man auch:

„Die nächste Generation muss unsere Staatsschulden bezahlen“

Wieder wird nach einzelwirtschaftlicher Logik nur eine Seite der Medaille beleuchtet. Übersehen wird Folgendes: Es werden auch Staatsguthaben (Staatsanleihen) in gleicher Höhe an die nächste Generation vererbt! Netto werden also weder Schulden noch Forderungen an die nächste Generation vererbt. Eine Volkswirtschaft kann nur materielle Dinge vererben. Und da höhere Staatsdefizite in bestimmten Situationen wie beschrieben sowohl einen Einbruch der privaten Wirtschaft verhindern als auch Straßen, Schulen etc. finanzieren und damit den materiellen Wohlstand tendenziell erhöhen, wird bei höheren Staatsschulden oft mehr an die nächste Generation vererbt.

Ein Problem gibt es natürlich dann, wenn ein sehr kleiner Teil der nächsten Generation einen sehr großen Teil an Staatsanleihen erbt – also an Forderungen gegen den Rest dieser Generation. Der Großteil der nächsten Generation erbt dann tatsächlich Schulden – an die kleine Oberschicht. Dieses Problem ist allerdings kein Problem der Staatsschulden, sondern der Ungleichheit. Das Problem bestünde nämlich auch, wenn eine kleine Oberschicht eine große Menge an privaten Forderungen gegen die Mittel- und Unterschicht erbt – ganz ohne die Existenz von Staatsschulden.

Einem ähnlichen Fehlschluss liegt folgende Aussage zu Grunde:

„Der Staat, also wir als Bürger, müssen die Zinsen für die Staatsschulden bezahlen“

Frage: An wen zahlt der Staat die Zinsen? Antwort: An seine Bürger, also an uns selbst!

Eine wichtigere Frage wäre wiederum, wie die Vermögen und damit die Zinseinkommen verteilt sind. Sind die Vermögen extrem ungleich verteilt, dann erhält ein sehr kleiner Anteil der Bevölkerung den Löwenanteil an den Zinserträgen. Der Großteil muss die Zinsen zahlen.

Dann muss man jedoch auch das wieder als das Problem nennen: Die Ungleichheit der Vermögen – nicht die Staatsverschuldung, die Zinszahlungen, das Geldsystem, oder sonst irgendwas.

Zur Bekämpfung von Ungleichheit ist ein ausgeglichener Staatshaushalt oder sogar der Abbau von Staatsschulden übrigens nicht unbedingt geeignet. Im Gegenteil: Zum Erreichen eines ausgeglichenen Haushalts werden oft staatliche Leistungen für die unteren und mittleren Einkommensschichten gestrichen – die Ungleichheit wird also tendenziell erhöht.

Eine bessere Möglichkeit zur Reduktion von Ungleichheit ist eine Erhöhung der staatlichen Leistungen für die Unter- und Mittelschicht und Steuererhöhungen für die Oberschicht.


Fazit

Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen wäre für die Politik extrem wichtig.

Solche Einsichten sind zum Beispiel: Die Einnahmen des einen sind die Ausgaben des anderen. Das Geld (bzw. die Guthaben) von jemandem sind die Schulden von jemand anderem. Der Exportüberschuss eines Landes bedingt ein Exportdefizit eines anderen Landes. Hohe Wettbewerbsfähigkeit eines Marktteilnehmers bedeutet niedrige Wettbewerbsfähigkeit eines anderen. Usw.

Viele Menschen verstehen diese Zusammenhänge nicht – auch da sie aus einer einzelwirtschaftlichen Sicht, die ihnen viel vertrauter ist, nicht gelten. Die Einnahmen einer Person sind z.B. nicht zwingend identisch mit den Ausgaben dieser Person. Analog ist das Guthaben einer Person sind nicht unbedingt gleich hoch wie die Schulden dieser Person.

Leider versteht selbst die Bundesregierung solche Zusammenhänge nicht. Kanzlerin Merkel ist überzeugt, dass alle Länder gemeinsam ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Finanzminister Schäuble denkt, dass alle Länder einen Exportüberschuss erzielen können. Außerdem hält die Bundesregierung Staatsschulden per se für etwas schlechtes.

Eine aus diesen Fehlschlüssen abgeleitete Politik kann nicht zum Erfolg führen. Die von der Bundesregierung europaweit durchgesetzte Sparpolitik, zum Beispiel, die darauf abzielt, dass alle Länder wettbewerbsfähiger werden und alle ihren Exportüberschuss erhöhen (bzw. ihr Exportdefizit abbauen) muss zwangsläufig scheitern – da sie auf einem logischen Fehlschluss beruht.

Wenn die Leute anfangen, die Zusammenhänge zu verstehen, dann könnte die Politik der Bundesregierung abgewählt und ein neuer Weg eingeschlagen werden. Wenn nicht, dann setzen wir den wirtschaftlichen Niedergang in Europa weiter fort.


* Der Zinssatz wird in der Literatur oft irreführend als Preis für Geld bezeichnet. Der Preis für Geld ist jedoch irrelevant und gleich 1. Wer würde einen Euro für mehr als einen Euro kaufen bzw. wer würde einen Euro für weniger als einen Euro verkaufen?

Dienstag, 2. Februar 2016

Geld und Schulden: Teil I

Viele Dinge einer Wirtschaft, die wir aus dem persönlichen Leben kennen, sind völlig anders, wenn man sie aus der „Vogelperspektive“ betrachtet.

Ein Beispiel dafür sind Ausgaben. Aus einer persönlichen Sicht sind Ausgaben nie erstrebenswert. Man versucht Dinge möglichst billig zu kaufen, um dadurch die Ausgaben niedrig zu halten. Wir wachsen mit dem Verständnis auf: „Hohe Ausgaben sind schlecht.“ Das ist aus subjektiver Sicht auch völlig richtig. Man betrachte jedoch einmal Ausgaben im großen Zusammenhang:

Wenn jemand 100 Euro weniger für etwas ausgibt, dann gehen bei jemand anderem die Einnahmen um 100 Euro zurück. Wenn der andere auf die 100 Euro angewiesen ist, kann das problematisch sein. Die subjektive Einsicht „Hohe Ausgaben sind schlecht“ ist also nicht ohne weiteres auf die gesamtwirtschaftliche Ebene übertragbar, da die Ausgaben des einen immer die Einnahmen von jemand anderem sind – und Einnahmen sind aus subjektiver Sicht wiederum gut.

Jemand mit bloßem Verständnis für einzelwirtschaftliche Zusammenhänge könnte denken, es wäre eine gute Idee, per Gesetz Einnahmen zu fördern und Ausgaben zu verhindern. Das verstößt jedoch gegen die gesamtwirtschaftliche Logik: Ein Einzelner kann gleichzeitig seine Einnahmen erhöhen und seine Ausgaben senken und dadurch seine wirtschaftliche Situation verbessern. Es lassen sich jedoch nicht die Einnahmen insgesamt erhöhen und gleichzeitig die Ausgaben insgesamt reduzieren. Die Summe aller Einnahmen ist nämlich immer gleich der Summe aller Ausgaben.

Dieses Beispiel mag absurd klingen, jedoch argumentiert selbst die Bundesregierung oft gegen eine solche Logik.

Finanzminister Schäuble versteht zum Beispiel nicht, dass ein Exportüberschuss eines Wirtschaftsraums zwingend ein Exportdefizit eines anderen Wirtschaftsraums bedeutet. Er denkt offensichtlich, jeder Wirtschaftsraum könne unabhängig von allen anderen Ländern Überschüsse oder Defizite haben. Schäuble wörtlich: „Das amerikanische Defizit wird nicht besser wenn ein europäisches Defizit hinzugefügt wird.“Richtig ist jedoch: Ein Land kann nur einen Überschuss machen, wenn ein anderes Land ein entsprechendes Defizit macht. Man kann deshalb die zwei größten Wirtschaftsräume der Welt, Amerika und Europa, nicht isoliert voneinander betrachten. Ein europäisches Defizit begünstigt natürlich einen amerikanischen Überschuss – und umgekehrt.

Kanzlerin Merkel spricht davon dass alle Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen sollen.** Sie versteht nicht, dass die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit eines Marktteilnehmers mit dem Verlust von Wettbewerbsfähigkeit anderer einhergeht. Wenn ein Land seine Preise senkt, andere Länder damit unterbietet und dadurch einen Wettbewerbsvorteil erlangt, dann verlieren zwingend andere Länder in gleichem Maß an Wettbewerbsfähigkeit.

Eine Politik, die auf diesen Fehlschlüssen basiert, muss zwangsläufig scheitern. Es wird nicht passieren, dass alle Länder gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden und jedes Land dann Exportüberschüsse macht – weil es logisch unmöglich ist! Diese Strategie hat zwar für Deutschland das als einzelnes Land funktioniert. Man kann das Erfolgsrezept jedoch nicht auf alle Länder gleichzeitig übertragen.

Leider nehmen die deutschen Medien ihre Aufgabe, wirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären, nicht hinreichend wahr und verteidigen mit nur wenigen Ausnahmen die Politik der Bundesregierung. Das führt dazu, dass die Konsumenten der Medien und damit die Bevölkerung uninformiert bleiben und über wirtschaftliche Dinge weiterhin nur subjektiv nachdenken können ohne das große Ganze zu verstehen. Die subjektive Sichtweise ist sehr intuitiv und tief in uns verankert, da wir alle mit ihr aufwachsen. Eine objektive Sichtweise erscheint oft unlogisch.

Das zentrale Ziel dieses Blogs ist es, eine objektive Sicht auf die Wirtschaft zu vermitteln und gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären.


In diesem Sinn wird nun etwas vorgestellt, mit dem wir ständig aus subjektiver Sicht zu tun haben, jedoch fast nie im großen Zusammenhang: Geld.

Als Geld wird alles bezeichnet, das als Tauschmittel akzeptiert wird; also im Prinzip alles, mit dem man im Supermarkt bezahlen kann. Die wichtigsten Formen von Geld sind Bargeld (Geldscheine und Münzen) und Bankguthaben.

Viele Menschen wachsen mit der Vorstellung auf, Geld sei ein Wertgegenstand. Das ist ein Modell, das für den Alltag völlig ausreicht. Geld hat jedoch eigentlich keinen Sachwert, es ist nur eine Forderung. Im Fall von Bargeld ist es eine Forderung gegen die Zentralbank. Im Fall von Bankguthaben ist Geld eine Forderung gegen die entsprechende private Bank.

Mit dieser Einsicht kann man bereits einige weit verbreitete Irrtümer über Geld widerlegen, die unserem alltäglichen Denken geschuldet sind.


„Banken müssen Geld haben, um Kredite vergeben zu können“

Da eine Bank jederzeit einem Kunden einen Betrag auf dessen Konto gutschreiben kann, benötigt sie kein Geld um Kredite zu vergeben. Bei der Kreditvergabe entsteht neues Bankguthaben – also neues Geld. Bankguthaben sind schließlich nur Forderungen der Kunden gegen die Bank. Da sie allgemein als Tauschmittel akzeptiert werden, gelten sie als Geld. Aus Sicht der Bank sind die Bankguthaben der Kunden Schulden gegenüber den Kunden.


„Schulden sind schlecht, Guthaben sind gut“

Aus subjektiver Sicht ist das korrekt; objektiv gilt: Jedem Euro Schulden steht immer ein Euro Guthaben (Geld oder andere Forderungen) gegenüber. Zu sagen, Schulden seien schlecht ist also gleichbedeutend mit damit zu sagen, Guthaben seien schlecht. Die oben genannte Aussage ist also objektiv genauso falsch wie die Aussage, Einnahmen seien gut und Ausgaben seien schlecht.


„Die Geldmenge ist begrenzt“

Aus der Tatsache, dass Geld eine Forderung ist, folgt auch, dass die Geldmenge prinzipiell durch nichts begrenzt ist. Früher war Geld einmal eine Forderung auf Gold. Wenn ein Staat sicher gehen wollte, dass die Menschen nicht mehr Geld für Gold eintauschen wollen als die Zentralbank hat, waren die Goldbestände der Zentralbank eine gewisse Begrenzung für die Geldmenge. Man konnte aber bereits damals mehr Geld in Umlauf bringen als die Zentralbank tatsächlich an Gold hatte. Seitdem die Goldbindung aufgehoben wurde ist Geld, wenn man so will, nur noch eine Forderung auf Bargeld. Und da die Zentralbank so viel Bargeld drucken kann, wie sie möchte, ist eine Ausweitung der Geldmenge prinzipiell unbegrenzt möglich.


„Der Staat legt die Geldmenge fest“

Diese Aussage ist auch ein weit verbreiteter Irrtum. Jedes mal, wenn eine Bank einen Kredit vergibt und dabei jemandem Geld auf sein Konto gutschreibt entsteht Geld. Das Bankguthaben, das vorher noch nicht existiert hat, wird nämlich als Tauschmittel akzeptiert und zählt zur Geldmenge.
Eine Bank muss den Staat nicht um Erlaubnis bitten, einen Kredit vergeben zu dürfen. Die Geldmenge steigt mit jedem vergebenen Kredit und sinkt mit jedem zurückgezahlten Kredit. Ergo, der Staat kontrolliert die Geldmenge nicht – zumindest nicht direkt. Der Staat kann nur Anreize setzen, wie viele Kredite die Banken vergeben und kann dadurch indirekt die Geldmenge beeinflussen. Das nennt sich Geldpolitik und wird in Teil II näher erklärt.


„Das Geldsystem ist von sich aus stabil“

Da Geld eine Forderung ist, beruht der Wert des Geldes auf dem Vertrauen, dass die Forderung entsprechend viel wert ist.

Es ist denkbar, dass das Geld durch eine hohe Inflation – also einen hohen Preisanstieg – an Wert verliert, da man sich dann für einen Euro deutlich weniger kaufen kann. Man benötigt also Vertrauen in das Inflationsziel. Im Fall von Bankguthaben muss man zusätzlich darauf vertrauen, dass seine Bank nicht Pleite geht und man für sein Guthaben im Zweifel entsprechend Bargeld bekommt.

Vertrauen ist offenkundig fragil und kann von heute auf morgen verschwinden – das Geldsystem ist also von sich aus alles andere als stabil. Es ist daher eine wichtige Aufgabe des Staates, Vertrauen in das Geldsystem zu schaffen und zu erhalten.

Um Vertrauen in das Inflationsziel zu schaffen haben die Staaten die Verwaltung des Geldsystems an eine unabhängige Institution, die von Experten geleitet wird, ausgelagert: An die Zentralbank. Oberstes Ziel einer Zentralbank ist in der Regel, ein Inflationsziel zu erreichen. Teil II beschäftigt sich näher damit, wie genau eine Zentralbank funktioniert.

Vertrauen in die privaten Bankguthaben schafft der Staat durch ein Einlagensicherungssystem. In Europa garantiert der Staat, Bankguthaben bis zu 100.000 Euro auszuzahlen falls eine Bank Pleite geht. Mit dieser Garantie müssen die Menschen nicht spekulieren, ob ihre Bank gefährdet ist, Pleite zu gehen. Sie können darauf vertrauen, im Zweifel Bargeld vom Staat für ihre Bankguthaben zu bekommen. Zusätzlich gehört es zur Aufgabe einer Zentralbank, solventen Banken im Falle von Liquiditätsproblemen jederzeit entsprechend Bargeld zu leihen, um unnötige Bankpleiten zu verhindern. Auch das schafft Vertrauen und Stabilität.

Die Tatsache, dass das Geldsystem in den vergangenen Jahrzehnten stabil war, ist also keine Folge einer intrinsischen Stabilität, sondern gezielter staatlicher Eingriffe.