Dienstag, 2. Februar 2016

Geld und Schulden: Teil I

Viele Dinge einer Wirtschaft, die wir aus dem persönlichen Leben kennen, sind völlig anders, wenn man sie aus der „Vogelperspektive“ betrachtet.

Ein Beispiel dafür sind Ausgaben. Aus einer persönlichen Sicht sind Ausgaben nie erstrebenswert. Man versucht Dinge möglichst billig zu kaufen, um dadurch die Ausgaben niedrig zu halten. Wir wachsen mit dem Verständnis auf: „Hohe Ausgaben sind schlecht.“ Das ist aus subjektiver Sicht auch völlig richtig. Man betrachte jedoch einmal Ausgaben im großen Zusammenhang:

Wenn jemand 100 Euro weniger für etwas ausgibt, dann gehen bei jemand anderem die Einnahmen um 100 Euro zurück. Wenn der andere auf die 100 Euro angewiesen ist, kann das problematisch sein. Die subjektive Einsicht „Hohe Ausgaben sind schlecht“ ist also nicht ohne weiteres auf die gesamtwirtschaftliche Ebene übertragbar, da die Ausgaben des einen immer die Einnahmen von jemand anderem sind – und Einnahmen sind aus subjektiver Sicht wiederum gut.

Jemand mit bloßem Verständnis für einzelwirtschaftliche Zusammenhänge könnte denken, es wäre eine gute Idee, per Gesetz Einnahmen zu fördern und Ausgaben zu verhindern. Das verstößt jedoch gegen die gesamtwirtschaftliche Logik: Ein Einzelner kann gleichzeitig seine Einnahmen erhöhen und seine Ausgaben senken und dadurch seine wirtschaftliche Situation verbessern. Es lassen sich jedoch nicht die Einnahmen insgesamt erhöhen und gleichzeitig die Ausgaben insgesamt reduzieren. Die Summe aller Einnahmen ist nämlich immer gleich der Summe aller Ausgaben.

Dieses Beispiel mag absurd klingen, jedoch argumentiert selbst die Bundesregierung oft gegen eine solche Logik.

Finanzminister Schäuble versteht zum Beispiel nicht, dass ein Exportüberschuss eines Wirtschaftsraums zwingend ein Exportdefizit eines anderen Wirtschaftsraums bedeutet. Er denkt offensichtlich, jeder Wirtschaftsraum könne unabhängig von allen anderen Ländern Überschüsse oder Defizite haben. Schäuble wörtlich: „Das amerikanische Defizit wird nicht besser wenn ein europäisches Defizit hinzugefügt wird.“Richtig ist jedoch: Ein Land kann nur einen Überschuss machen, wenn ein anderes Land ein entsprechendes Defizit macht. Man kann deshalb die zwei größten Wirtschaftsräume der Welt, Amerika und Europa, nicht isoliert voneinander betrachten. Ein europäisches Defizit begünstigt natürlich einen amerikanischen Überschuss – und umgekehrt.

Kanzlerin Merkel spricht davon dass alle Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen sollen.** Sie versteht nicht, dass die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit eines Marktteilnehmers mit dem Verlust von Wettbewerbsfähigkeit anderer einhergeht. Wenn ein Land seine Preise senkt, andere Länder damit unterbietet und dadurch einen Wettbewerbsvorteil erlangt, dann verlieren zwingend andere Länder in gleichem Maß an Wettbewerbsfähigkeit.

Eine Politik, die auf diesen Fehlschlüssen basiert, muss zwangsläufig scheitern. Es wird nicht passieren, dass alle Länder gleichzeitig wettbewerbsfähiger werden und jedes Land dann Exportüberschüsse macht – weil es logisch unmöglich ist! Diese Strategie hat zwar für Deutschland das als einzelnes Land funktioniert. Man kann das Erfolgsrezept jedoch nicht auf alle Länder gleichzeitig übertragen.

Leider nehmen die deutschen Medien ihre Aufgabe, wirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären, nicht hinreichend wahr und verteidigen mit nur wenigen Ausnahmen die Politik der Bundesregierung. Das führt dazu, dass die Konsumenten der Medien und damit die Bevölkerung uninformiert bleiben und über wirtschaftliche Dinge weiterhin nur subjektiv nachdenken können ohne das große Ganze zu verstehen. Die subjektive Sichtweise ist sehr intuitiv und tief in uns verankert, da wir alle mit ihr aufwachsen. Eine objektive Sichtweise erscheint oft unlogisch.

Das zentrale Ziel dieses Blogs ist es, eine objektive Sicht auf die Wirtschaft zu vermitteln und gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären.


In diesem Sinn wird nun etwas vorgestellt, mit dem wir ständig aus subjektiver Sicht zu tun haben, jedoch fast nie im großen Zusammenhang: Geld.

Als Geld wird alles bezeichnet, das als Tauschmittel akzeptiert wird; also im Prinzip alles, mit dem man im Supermarkt bezahlen kann. Die wichtigsten Formen von Geld sind Bargeld (Geldscheine und Münzen) und Bankguthaben.

Viele Menschen wachsen mit der Vorstellung auf, Geld sei ein Wertgegenstand. Das ist ein Modell, das für den Alltag völlig ausreicht. Geld hat jedoch eigentlich keinen Sachwert, es ist nur eine Forderung. Im Fall von Bargeld ist es eine Forderung gegen die Zentralbank. Im Fall von Bankguthaben ist Geld eine Forderung gegen die entsprechende private Bank.

Mit dieser Einsicht kann man bereits einige weit verbreitete Irrtümer über Geld widerlegen, die unserem alltäglichen Denken geschuldet sind.


„Banken müssen Geld haben, um Kredite vergeben zu können“

Da eine Bank jederzeit einem Kunden einen Betrag auf dessen Konto gutschreiben kann, benötigt sie kein Geld um Kredite zu vergeben. Bei der Kreditvergabe entsteht neues Bankguthaben – also neues Geld. Bankguthaben sind schließlich nur Forderungen der Kunden gegen die Bank. Da sie allgemein als Tauschmittel akzeptiert werden, gelten sie als Geld. Aus Sicht der Bank sind die Bankguthaben der Kunden Schulden gegenüber den Kunden.


„Schulden sind schlecht, Guthaben sind gut“

Aus subjektiver Sicht ist das korrekt; objektiv gilt: Jedem Euro Schulden steht immer ein Euro Guthaben (Geld oder andere Forderungen) gegenüber. Zu sagen, Schulden seien schlecht ist also gleichbedeutend mit damit zu sagen, Guthaben seien schlecht. Die oben genannte Aussage ist also objektiv genauso falsch wie die Aussage, Einnahmen seien gut und Ausgaben seien schlecht.


„Die Geldmenge ist begrenzt“

Aus der Tatsache, dass Geld eine Forderung ist, folgt auch, dass die Geldmenge prinzipiell durch nichts begrenzt ist. Früher war Geld einmal eine Forderung auf Gold. Wenn ein Staat sicher gehen wollte, dass die Menschen nicht mehr Geld für Gold eintauschen wollen als die Zentralbank hat, waren die Goldbestände der Zentralbank eine gewisse Begrenzung für die Geldmenge. Man konnte aber bereits damals mehr Geld in Umlauf bringen als die Zentralbank tatsächlich an Gold hatte. Seitdem die Goldbindung aufgehoben wurde ist Geld, wenn man so will, nur noch eine Forderung auf Bargeld. Und da die Zentralbank so viel Bargeld drucken kann, wie sie möchte, ist eine Ausweitung der Geldmenge prinzipiell unbegrenzt möglich.


„Der Staat legt die Geldmenge fest“

Diese Aussage ist auch ein weit verbreiteter Irrtum. Jedes mal, wenn eine Bank einen Kredit vergibt und dabei jemandem Geld auf sein Konto gutschreibt entsteht Geld. Das Bankguthaben, das vorher noch nicht existiert hat, wird nämlich als Tauschmittel akzeptiert und zählt zur Geldmenge.
Eine Bank muss den Staat nicht um Erlaubnis bitten, einen Kredit vergeben zu dürfen. Die Geldmenge steigt mit jedem vergebenen Kredit und sinkt mit jedem zurückgezahlten Kredit. Ergo, der Staat kontrolliert die Geldmenge nicht – zumindest nicht direkt. Der Staat kann nur Anreize setzen, wie viele Kredite die Banken vergeben und kann dadurch indirekt die Geldmenge beeinflussen. Das nennt sich Geldpolitik und wird in Teil II näher erklärt.


„Das Geldsystem ist von sich aus stabil“

Da Geld eine Forderung ist, beruht der Wert des Geldes auf dem Vertrauen, dass die Forderung entsprechend viel wert ist.

Es ist denkbar, dass das Geld durch eine hohe Inflation – also einen hohen Preisanstieg – an Wert verliert, da man sich dann für einen Euro deutlich weniger kaufen kann. Man benötigt also Vertrauen in das Inflationsziel. Im Fall von Bankguthaben muss man zusätzlich darauf vertrauen, dass seine Bank nicht Pleite geht und man für sein Guthaben im Zweifel entsprechend Bargeld bekommt.

Vertrauen ist offenkundig fragil und kann von heute auf morgen verschwinden – das Geldsystem ist also von sich aus alles andere als stabil. Es ist daher eine wichtige Aufgabe des Staates, Vertrauen in das Geldsystem zu schaffen und zu erhalten.

Um Vertrauen in das Inflationsziel zu schaffen haben die Staaten die Verwaltung des Geldsystems an eine unabhängige Institution, die von Experten geleitet wird, ausgelagert: An die Zentralbank. Oberstes Ziel einer Zentralbank ist in der Regel, ein Inflationsziel zu erreichen. Teil II beschäftigt sich näher damit, wie genau eine Zentralbank funktioniert.

Vertrauen in die privaten Bankguthaben schafft der Staat durch ein Einlagensicherungssystem. In Europa garantiert der Staat, Bankguthaben bis zu 100.000 Euro auszuzahlen falls eine Bank Pleite geht. Mit dieser Garantie müssen die Menschen nicht spekulieren, ob ihre Bank gefährdet ist, Pleite zu gehen. Sie können darauf vertrauen, im Zweifel Bargeld vom Staat für ihre Bankguthaben zu bekommen. Zusätzlich gehört es zur Aufgabe einer Zentralbank, solventen Banken im Falle von Liquiditätsproblemen jederzeit entsprechend Bargeld zu leihen, um unnötige Bankpleiten zu verhindern. Auch das schafft Vertrauen und Stabilität.

Die Tatsache, dass das Geldsystem in den vergangenen Jahrzehnten stabil war, ist also keine Folge einer intrinsischen Stabilität, sondern gezielter staatlicher Eingriffe.


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